Resilienz

Seit einigen Jahren wird der Begriff „Resilienz“ in vielen gesellschaftlichen Bereichen verwendet, in denen es um Katastrophenvorsorge, nachhaltige Entwicklung und die Anpassung an den Klimawandel geht.

Doch was genau ist Resilienz und verbirgt sich dahinter mehr als nur ein Modebegriff?

Starkregen

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Geschichte und Konzepte

Der Begriff „Resilienz“ stammt aus dem Lateinischen (resilire) und bedeutet so viel wie zurückspringen oder abprallen (Thun-Hohenstein et al., 2020). Dementsprechend fand der Begriff im frühen 19. Jahrhundert zunächst in den Materialwissenschaften Anwendung und bezeichnete die Fähigkeit von Materialien Verformungen zu absorbieren, ohne sich dauerhaft zu verformen (Sudmeier-Rieux, 2014).

Seit den 1970er Jahren griff die psychologische Forschung den Resilienzbegriff auf (Block und Block, 1977), unter anderem um die Fähigkeit von Menschen zu beschreiben, sich von traumatischen Ereignissen zu erholen (Nutting und Norris, 1968; Werner, 1989).

Große Bedeutung erlangte „Resilienz“ in der Ökosystemforschung. Anfangs stand hier das die sogenannte “engineering resilience“ (Holling, 1973; Hollnagel et al., 2006) im Vordergrund (siehe Abbildung 1), welche die Fähigkeit von Ökosystemen beschreibt externen Stress zu bewältigen und zu überstehen. Veränderungen des Gesamtsystems können das Ökosystem („die Kugel“) aus dem Gleichgewicht bringen. Ähnlich wie z.B. bei einem See, der durch fortlaufende Einleitung von Abwässern letztendlich „umkippt“. Resilienz bezieht sich hier also auf die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems See gegenüber dem äußeren Einfluss (d.h. der Kontamination durch die Abwässer).

Abbildung 1: Engineering und ecological resilience (Hoang u. a., 2017).

Da (Öko-)Systeme jedoch mehrere, verschiedene Gleichgewichtszustände haben können, wurde die Idee der „engineering resilience“ zu einer „ecological resilience“ (Holling, 1973; Hollnagel et al., 2006) erweitert. Diese basiert auf dem Verständnis, dass ein System mehrere stabile Zustände haben kann. Die Erholung eines Ökosystems bedeutet also nicht zwangsläufig eine Rückkehr zu den Ausgangsbedingungen.

Dieses Verständnis von Resilienz wurde später auf sozial-ökologische Systeme ausgeweitet und bietet somit einen konzeptionellen Rahmen von verschachtelten Systemen, die über Skalen hinweg miteinander interagieren (sog. Panarchie) (Holling und Gunderson, 2002; Folke, 2006). Ein starker Fokus wird auf die Transformationen und Interaktionen von Systemen über die verschiedenen Skalen hinweg gelegt. Sie wachsen, reifen, kollabieren, erneuern sich und eröffnen dabei immer wieder neue „windows of opportunities“. Resilienz wird hier vielmehr als ein fortlaufender Prozess der Transformation und Anpassung verstanden, der auch durch Lernen und Erinnern aus vergangenen Transformationen ermöglicht wird.

Abbildung 2: Panarchie (Quelle: Resilience Alliance, 2023).

Resilienz auf internationaler Ebene

Heute ist Resilienz zum Leitprinzip und expliziten Ziel mehrerer internationaler Rahmenwerke geworden, z.B. der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) (United Nations, 2015a), des Pariser Klimaabkommens zum Klimawandel (United Nations, 2015b), des Sendai Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge 2015 – 2030 (UNDRR, 2015) und der New Urban Agenda (UN Habitat, 2016). Zwar unterscheiden sich in diesen Rahmenwerken die zugrundeliegenden Resilienzdefinitionen, es gibt aber Bestrebungen die jeweiligen Auffassungen von Resilienz zu vereinheitlichen (UNDP, 2020): Hier bezeichnet Resilienz “die Fähigkeit von Individuen, Haushalten, Gemeinschaften, Städten, Institutionen, Systemen und Gesellschaften, einer Vielzahl von Risiken positiv, effizient und effektiv vorzubeugen, ihnen zu widerstehen, sie zu absorbieren, sich anzupassen, darauf zu reagieren und sich davon zu erholen und dabei ein akzeptables Funktionsniveau aufrechtzuerhalten, ohne die langfristigen Aussichten auf nachhaltige Entwicklung, Frieden und Sicherheit, Menschenrechte und Wohlbefinden für alle zu gefährden” (UNDP, 2020).

Definition resilienz

the ability of individuals, households, communities, cities, institutions, systems and societies to prevent, resist, absorb, adapt, respond and recover positively, efficiently and effectively when faced with a wide range of risks, while maintaining an acceptable level of functioning without compromising long-term prospects for sustainable development, peace and security, human rights and well-being for all” (UNDP, 2020).

Darüber hinaus werden in diesem Bericht fünf Kapazitäten vorgeschlagen, die die Grundlage für die Widerstandsfähigkeit eines Systems bilden:

Build back better

Dieses Verständnis von Resilienz geht weit über die ursprüngliche Bedeutung im Sinne einer Robustheit und Widerstandsfähigkeit hinaus, insbesondere durch die Betonung der Aspekte der Transformations- und Lernfähigkeit. Dies dockt thematisch an das Build Back Better Konzept an, welches einfordert, dass die Wiederaufbauphase nach einem Katastrophenereignis nicht dafür genutzt wird, um alte Strukturen wiederherzustellen, sondern stattdessen resilientere Systeme zu etablieren.

Absorptionsfähigkeit

Die Fähigkeit, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und sich nach einem Schock mit Hilfe vorher festgelegter Reaktionen zu erholen, um wesentliche Grundstrukturen und -funktionen zu erhalten und wiederherzustellen. Dazu gehören Antizipation, Planung, Bewältigung und Erholung von Schocks und Belastungen.

Anpassungsfähigkeit

Die Fähigkeit, schrittweise Anpassungen, Modifikationen oder Änderungen an den Merkmalen von Systemen und Maßnahmen vorzunehmen, um potenzielle Veränderungen abzumildern, damit das Funktionieren ohne größere qualitative Veränderungen der Funktion oder der Struktur fortgesetzt werden kann.

Antizipative Kapazität

Die Fähigkeit, im Vorgriff auf eine potenzielle Bedrohung frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um deren potenzielle negative Auswirkungen zu verringern; unter anderem durch Frühwarnung, frühzeitige Maßnahmen und vorhersagegestützte Finanzierung.

Vorbeugende Kapazität

Die Fähigkeit, Aktivitäten durchzuführen und Maßnahmen zu ergreifen, um bestehende Risiken zu verringern und das Entstehen neuer Risiken zu vermeiden. Auch wenn bestimmte Risiken nicht beseitigt werden können, zielt die Präventionskapazität darauf ab, die Anfälligkeit und Gefährdung in solchen Kontexten zu verringern, wodurch das Risiko reduziert wird.

Transformative Kapazität

Die Fähigkeit, ein grundlegend neues System zu schaffen, wenn die ökologischen, wirtschaftlichen oder sozialen Strukturen das bestehende System unhaltbar machen. Transformationsfähigkeit ist erforderlich, wenn der erforderliche Wandel über die antizipativen, absorptiven, adaptiven und präventiven Fähigkeiten des Systems hinausgeht und wenn erkannt wird, dass ökologische, wirtschaftliche oder soziale Strukturen die Menschen in einem Teufelskreis aus Armut, Katastrophen und Konflikten gefangen halten und das bestehende System unhaltbar machen.

Resilienz auf nationaler ebene

Resilienz in Deutschland

Auch in Deutschland wird Resilienz zunehmend als zentrales Konzept für eine risikoinformierte, klimaangepasste und nachhaltige Entwicklung betrachtet. Eine nationale Resilienzstrategie wurde dazu von einer interministeriellen Arbeitsgruppe erarbeitet und im Sommer 2022 durch den Bundestag beschlossen. Hieran beteiligt sind das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Die Koordination wurde von der Nationalen Kontaktstelle des Sendai Rahmenwerks beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe durchgeführt.

Resilienz im DKKV

Für das DKKV ist die Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz das zentrale Leitmotiv (Strategie 2030+). Ebenso wie Resilienz ein breites Spektrum an Konzepten und Maßnahmen impliziert, um die Dynamik in sozial-ökologischen Systemen zu erforschen und besser zu verstehen, sind auch die Ansätze zur Stärkung der Resilienz vielfältig. Im DKKV zielen u.a. mehrere der aktuellen Aktivitäten und Projekte auf eine Steigerung der Resilienz ab, beispielsweise über einen Wissenstransfer zwischen Akteur:innen aus Wissenschaft, operativer Praxis und der Politik. Im Projekt MYrisk sollen insbesondere kommunale Entscheidungsträger:innen durch einen Austausch von Best-Practices profitieren. Im Projekt zu Resilienz im Tourismus wurde Resilienz für touristische Destinationen messbar gemacht und Vorschläge für einen Ausgleich von Resilienzdefiziten gemacht.

Erstellt: Oktober 2021; aktualisiert Februar 2023