Baulicher Bevölkerungs­schutz

Was ist baulicher Bevölkerungsschutz und wie funktioniert dieser in der Praxis? Diese Seite bietet einen kurzen Überblick zur Thematik und stellt die gesetzlichen Regelungen und Arten von baulichem Bevölkerungsschutz dar.

Starkregen

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Was ist baulicher Bevölkerungsschutz ?

Der bauliche Bevölkerungsschutz umfasst alle baulichen, technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Abwehr der Folgen bzw. zur Minderung der Auswirkungen von Schadensereignissen infolge Naturgefahren, technischem Versagen, Sabotage oder auch Waffeneinwirkung und steht somit für einen wirksamen Schutz von Menschenleben, technischen Anlagen und Gebäuden. Im Vordergrund der Aufgaben steht der Schutz von Personen und damit die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen (KRITIS und DKKV-Newsletter). Ziel des baulichen Bevölkerungsschutzes sind die Erhöhung des Schutzniveaus und der Resilienz durch Objektvorsorge in den Bereichen Naturgefahren, geologische Gefährdungen, technische Gefährdungen, Waffeneinwirkung wie auch die Erstellung und Erhaltung von Schutzbauten, wie z.B. Bunker (BBK 2023).

Nach Prof. Dr. Norbert Gebbeken beruht die Grundlage des baulichen Bevölkerungsschutzes auf den drei Prinzipien “Ausweichen, Widerstehen, Anpassen”. Dabei bezeichnet das Prinzip des Ausweichens die Vermeidung von Gefahrensituationen, beispielsweise durch die Ausweisung von Risikogebieten, um eine Besiedelung oder Bebauung dieser Flächen zu verhindern. Durch widerstandsfähiges Bauen soll der Schutz von Personen und Sachwerten gewährleistet werden, während durch Anpassungsmaßnahmen an potenzielle Naturgefahren das Schadenspotential verringert werden kann (Gebbeken 2021). Dadurch ist der bauliche Bevölkerungsschutz ein wichtiger Baustein für eine resiliente Stadtentwicklung (Themenseite Resilienz).

Relevanz und gesetzliche Grundlagen

Warum baulicher Bevölkerungsschutz ?

Die Intention des baulichen Bevölkerungsschutzes ist, durch verschiedene bauliche Schutzmaßnahmen die Bevölkerung sowie KRITIS vor zunehmenden Natur- und anderen Gefahren zu schützen. Zusätzlich dazu soll auch ein Mehrwert generiert werden, indem Klima- und Umweltpotenziale synergetisch aktiviert werden (multifunktionaler Bevölkerungsschutz). Hierzu gehört unter anderem die Erhöhung der Biodiversität, die Bindung von Staub und Starkregen sowie die Verbesserung des Mikroklimas. All diese Potenziale sollen durch Strategien des baulichen Bevölkerungsschutzes mit realisiert werden (Schüttrumpf 2020).

Diese Ziele können jedoch nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure (öffentlich und privat) im Bevölkerungsschutz erreicht werden. Es müssen Synergien geschaffen werden, um eine ganzheitliche integrative Herangehensweise zu konzipieren, die alle Bereiche des Katastrophenmanagements abdecken (Gebbeken 2016).

 

Wer ist hierfür zuständig ?

Die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz und damit auch für die Regelung und Ausgestaltung des baulichen Bevölkerungsschutzes liegt in Deutschland bei den Bundesländern (BBK 2023). Nach § 2 Abs. 3 und 4 SGV NRW sind, im Falle von Nordrhein-Westfalen, das jeweilige Bundesland und dessen zugehörige Landkreise Träger des Katastrophenschutzes. Ferner ist nach § 41 SGV NRW jeder Mensch verpflichtet, sein Verhalten so auszurichten, dass Menschen und erhebliche Sachwerte nicht gefährdet werden, so dass sowohl die Länder als auch private Akteure im baulichen Bevölkerungsschutz tätig werden müssen.

 

 

Arten des baulichen Bevölkerungschutzes

Das Themenfeld baulicher Bevölkerungsschutz beinhaltet neben dem Schutz vor Naturgefahren auch den Schutz vor geologischen, technischen und terroristischen Gefahren sowie die Erstellung von Schutzräumen bzw. Schutzbauten. Hier können sowohl der Gesetzgeber als auch Privatpersonen Maßnahmen ergreifen, die im Folgenden beispielhaft dargestellt werden.

Naturgefahren

Insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels werden extreme Wetterereignisse, wie Hitze und Kälte, Stürme, Hagel, Hochwasser und Starkregen in Zukunft häufiger auftreten, so dass ein größerer Anteil von Personen und materiellen Gütern Naturgefahren ausgesetzt sein wird. Daher sind Anpassungsmaßnahmen erforderlich, um auf diese Szenarien vorbereitet zu sein (BNB 2017)

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Abbildung 1: Die bauliche Erhöhung von Gebäuden oder die Errichtung von Mauern kann vor eindringendem Oberflächenwasser schützen

Starkregen und Hochwasser

Durch bauliche Maßnahmen, wie z.B. die Erhöhung von Eingangsbereichen im vgl. zum umgebenden Gelände oder der Einbau von Rückstausicherungen und Türschwellen kann das Schadenspotential bereits minimiert werden. (Weitere Hinweise zur Starkregenvorsorge finden sie hier: Link zur Themenseite Starkregen). Vorbeugender Hochwasserschutz kann u.a. durch entsprechend wasserdichte Baustoffe und Bauteile bei Mauerwerk, Böden, Fenstern und Türen erreicht werden. Zur Aufrechterhaltung der Versorgung und zur Vermeidung von Umweltschäden sollten Heizöl- und Gastanks in den Obergeschossen aufgestellt oder zumindest auftriebssicher verankert werden. Die Implementierung von Hangsicherungen, Wasserrückhaltebecken, Siedlungsverboten, verbesserten Vorwarnsystemen, etc. kann zusätzlich sowohl Gebäude als auch die sich darin befindenden Menschen und Tiere schützen (Gebbeken 2009).

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Abbildung 3: Hagelschutzgitter können über empfindlichen Materialen für einen dauerhaften Schutz sorgen.

Unwetter (Gewitter, Hagel, Schnee)

Gewitter treten vermehrt während Hitzeperioden und/oder in Kombination mit extremen Niederschlagsereignissen wie z.B. Hagel auf. Bei Gewittern hilft beispielsweise die Installation von Blitzschutzanlagen. Durch die Verwendung von hagelresistenten Baustoffen, Hagelgitter oder durch Kiesaufschüttungen und Dachbegrünungen können Schäden infolge von Hagelereignissen minimiert werden. Dächer sollten mit Schneegittern versehen werden, damit Menschen nicht durch Dachlawinen gefährdet werden (BBK 2023).

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Abbildung 2: Fassadenbegrünung als Schutz vor Hitze und Kälte

Hitze und Kälte

Extreme Hitze und Kälte können sowohl Menschen als auch Bausubstanz belasten. Maßnahmen wie die Begrünung von Fassaden und Dächern oder der Einsatz von Sonnenschutzvorrichtungen, z.B. durch reflektierende Folien oder Markisen, können Bewohner: innen schützen. Darüber hinaus sollten bei der Konstruktion von Gebäuden Baustoffe mit ausreichender Speichermasse zur Wärmeregulierung verwendet werden. Zusätzlich ist auf ausreichende Wärmedämmung und Isolierung von Wasser- und Heizungsleitungen zu achten, um die Versorgung aufrecht erhalten halten zu können (BBK 2023)

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Abbildung 4: Sturmklammern schützen vor Sogkräfte, die durch starke Windböen verursacht werden.

Sturm

Bei Sturmereignissen kann die Stabilität von Dachkonstruktionen und Gebäuden aus Leichtbaukonstruktionen durch eine feste Verankerung im Mauerwerk und im Fundament mit Hilfe von Ankern, Schrauben oder Metallbändern verbessert werden. Dachziegel sollten mit Sturmklammern gesichert werden (BBK 2023).

Geologische Gefahren

Bei gravitativen oder tektonischen Gefährdungen wie Hangrutschungen, Bergstürzen, Steinschlag und Erdbeben können durch bauliche Maßnahmen Menschen und Infrastruktur geschützt werden. Hierzu zählt v.a. der Einsatz von Stahlbetonwänden mit einer gewissen Mächtigkeit, um die Statik von Gebäuden sicherzustellen. Eine zusätzliche Absicherung kann durch Verankerungen in festen Bodenschichten erfolgen. Außerdem sollten Bauten in gefährdeten Gebieten symmetrisch und kompakt geplant werden (BBK 2023).

Massive Stahlbetonwände und eine kompakte Bauweise können beim Eintritt von geologischen Gefahren die Stabilität von Gebäuden sichern

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Technische Gefahren

Technische Gefahren werden oftmals (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) durch menschliches Fehlverhalten verursacht. Hierbei kann es beispielsweise zum Ausbruch von Bränden kommen, sodass Brandschutzmaßnahmen bereits bei der Planung von Gebäuden berücksichtigt werden müssen (BBK 2023).

Brandschutzmaßnahmen, wie z.B. Fluchtwege sollten bereits bei der Planung von Gebäuden berücksichtigt werden

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Gefahr durch Waffen und Terrorismus

Terroristische Ereignisse in Verbindung mit Sprengstoffen, Schusswaffen oder Überfahrtaten stellen eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Für den Fall eines solchen Ereignisses kann der Einsatz von Dämpfungsschichten im Beton oder Faserverbundstoffen im Mauerwerk als Vorsorgemaßnahme dienen(BBK 2023). Da diese Ereignisse jedoch relativ selten sind, ist es sinnvoll, multifunktionale Schutzbauwerke zu errichten, die neben der Schutzwirkung z.B. auch einen städtebaulichen Mehrwert aufweisen. Darüber hinaus sollte „Sicherheit“ von Anfang an mitgedacht werden, z.B. durch das Konzept von Security-by-Design (European Union 2022).

Security-by-Design – Betonstaturen und Blumentöpfe sollen vor terroristischen Angriffen auf öffentlichen oder stark frequentierten Plätzen, wie z.B. Einkaufsstraßen schützen

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Ausblick

Die Umsetzung von Maßnahmen des baulichen Bevölkerungsschutzes muss heute und in Zukunft verstärkt in die Bauvorhaben öffentlicher und privater Akteure integriert werden, um u.a. auf die Folgen des rezenten Klimawandels vorbereitet zu sein und um eine resilientere Gesellschaft werden zu können. Außerdem kann so besser auf plötzliche und unerwartete Ereignisse wie Starkregen, Erdbeben oder Terroranschläge reagiert werden. Da diese Extremereignisse eher selten und schwer vorhersagbar sind, können z.B. zukunftsorientierte Konzepte wie multifunktionale Retentionsflächen oder Security-by-Design-Ansätze eine Lösungsmöglichkeit bieten. Sie umfassen sowohl Aspekte des baulichen Bevölkerungsschutzes als auch Elemente für einen sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert.

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Security By Design

“Die Grundprinzipien des Konzepts ” Security by Design” – Verhältnismäßigkeit, Multifunktionalität, Zusammenarbeit der Akteure und Ästhetik – sorgen dafür dass die Sicherheit besser in die gebaute städtische Umwelt integriert wird. Deshalb werden Sicherheitslösungen, die nach diesem Konzept entworfen werden, besser eingebunden, wirksamer, kosteneffizienter und gesellschaftlich akzeptabler.” (European Union 2022).

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Multifunktionale Retentionsflächen

Multifunktionale Retentionsflächen – Städte und Gemeinden werden sich in Zukunft verstärkt mit der Aufgabe der Hochwasservorsorge beschäftigen müssen, wobei die multifunktionale Nutzung von Freiflächen als urbane Retentionsräume ein möglicher Baustein sein kann. Diese Flächen sollen im Ernstfall als Notüberflutungsflächen genutzt werden, um Schäden durch Starkregenereignisse zu begrenzen.

Erstellt: Mai 2023