Am 10. Juni 2024 fand das halbtägige Symposium des Center for Interdisciplinary Disaster Research
(CIDR) an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) statt. Es
versammelten sich etwa 60 Teilnehmende aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung, um sich über die
Arbeit sowie Ziele des CIDR zu informieren und sich über aktuelle Herausforderungen sowie
Lösungsansätze im Bereich des Bevölkerungsschutzes auszutauschen.


Nach einer kurzen Begrüßung eröffnete Dr. Jan-Erik Steinkrüger, Referent für
Forschungskoordination am Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das
Symposium mit einer eindringlichen Keynote über die zunehmende Komplexität der Welt sowie dem
daraus resultierenden Anstieg von Unsicherheiten und Risiken. Folglich erfahre die Interdisziplinarität
eine wachsende Bedeutung, indem die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg als Schlüssel zur
Bewältigung zukünftiger Herausforderungen gelte, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden
zivilen Bedrohungslagen. Daher hob Dr. Steinkrüger auch die Notwendigkeit einer starken
bundespolitischen Unterstützung für interdisziplinäre Forschungsinitiativen hervor.


Nach diesem politisch-strategischen Impuls thematisierte Jörg Eger, der als Referatsleiter Ehrenamt
und Ausbildung beim Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Technischen Hilfswerks
tätig ist, in seiner Keynote die Herausforderungen beim Transfer von Erkenntnissen von der
Forschung in die Praxis. In diesem Zusammenhang wies Eger auch auf das Phänomen der
„Katastrophendemenz” hin und die Tatsache, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Politik die
Lehren aus vergangenen Katastrophen unerklärlich schnell wieder vergessen. In Konsequenz forderte
der Fachexperte bessere Rahmenbedingungen für den kontinuierlichen Transfer von
Forschungsergebnissen in die Praxis und betonte die Rolle des THW als “Mittler zwischen den
Welten”. Zudem schlug er vor, das Konzept „Sciences goes public” auf den Bevölkerungsschutz
auszudehnen, um Wissenschaft und Praxis noch enger zu verzahnen.

Nach den Keynotes, welche sowohl die Relevanz der Katastrophenforschung als auch der
Interdisziplinarität betonten, wurden das CIDR und seine Ziele vorgestellt. Das Zentrum sieht sich als
zentrale Anlaufstelle für Forschung im Bevölkerungsschutz und strebt die Etablierung einer starken,
nachhaltigen Forschungsinitiative an der RPTU an. Durch Kooperationen mit regionalen
Praxispartnern und regelmäßige Informations- und Vernetzungsveranstaltungen soll ein dialogischer
Prozess zwischen Wissenschaft und Praxis gefördert werden. Dabei ist das Besondere am CIDR seine
interdisziplinäre Ausrichtung, die verschiedene Perspektiven und Fragestellungen aus den
Fachbereichen der Wirtschafts-, Sozial-, Erziehungs- und Ingenieurwissenschaften integriert. Dies
ermöglicht innovative und zielführende Lösungsansätze für die komplexen Herausforderungen im
Bevölkerungsschutz.


Um die verschiedenen Perspektiven der beteiligten Fachgebiete für die Teilnehmenden zu eröffnen,
präsentierten sich die an der Gründung des Center beteiligten Professuren im Rahmen von
Kurzvorträgen und stellten ihre jeweiligen disziplinären Ansätze und Fragestellungen zur
Katastrophenforschung vor. Den Beginn machte Prof. Dr. Robert Jüpner, welcher die Arbeiten zur
Wasserwirtschaft im Katastrophenschutz mit einem Schwerpunkt auf dem Hochwassermanagement
vorstellte. Prof. Dr. Jüpner verdeutlichte durch eine Visualisierung die Datengrundlage sowie
möglichen Optimierungen operativer Hochwasserschutzmaßnahmen und stellte in diesem
Zusammenhang Projekte wie das Bildungsmodul zum Umgang mit außergewöhnlichen
wasserbezogenen Naturgefahren für Feuerwehr zur Klimaanpassung (BiWaWehr) und sowie Klima
Anpassung, Hochwasser und Resilienz: Wissenschaftliche Begleitung des Wiederaufbaus nach der
Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein- Westfalen (KAHR) vor, an denen sein Lehrstuhl
beteiligt ist. Der Hochwasserschutzexperte wies darauf hin, dass der Umgang mit Unsicherheiten und
die Fähigkeit zur Interpretation und Entscheidungsfindung wichtiger seien als die bloße Optimierung
technischer Möglichkeiten, wofür auch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen von großer Relevanz
seien.


Im Anschluss daran sprach Prof. Dr. Matthias Rohs, Professor für Erwachsenenbildung an der RPTU,
über die Relevanz der (Weiter-)Bildungsforschung für den Bevölkerungsschutz. Er hob hervor, dass
(Weiter-)Bildung sowohl für professionelle Einsatzkräfte als auch für die Bevölkerung ein
wesentlicher Bestandteil eines erfolgreichen Bevölkerungsschutzes sei. Daran anschließend betonte
Prof. Dr. Rohs, dass es keinen etablierten Forschungszweig für Weiterbildungsforschung im
Bevölkerungsschutz gibt, obwohl dies dringend erforderlich sei. Sein Lehrstuhl betreibt daher
Grundlagenforschung zum Thema und erhofft sich, neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch
Orientierungsrahmen für die Praxis bereitstellen zu können.


Daran anschließend diskutierte Prof. Dr. Gordon Müller-Seitz, Professor für Strategie, Innovation und
Kooperation im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der RPTU, im Rahmen seines Vortrages
den Umgang mit Risiken und Unsicherheiten, welche in der Folge von unerwarteten Ereignissen
zunehmen. Zwar sei der Umgang mit diesen Risiken und Unsicherheiten je nach Krisensituation
anders gelagert, jedoch erfordere jede Krisensituation die Koordination und Kooperation innerhalb,
aber auch zwischen Organisationen. Daraus entsteht das übergreifende Erkenntnisinteresse des
Lehrstuhls von Prof. Dr. Müller-Seitz, indem sowohl untersucht wird, wie die (ad hoc) Koordination
und Kooperation zur Bewältigung von Krisen erfolgen und welche Barrieren dabei überwunden
werden müssen.

Einen weiteren Ansatz für mögliche Perspektiven der Katastrophenforschung eröffnete Jun.-Prof.
Anja Danner-Schröder, Juniorprofessorin für Management Studies am Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften an der RPTU. Sie stellte ihre ethnografische Arbeit in verschiedenen
Kontexten der Katastrophenforschung, u.a. bei THW und Feuerwehr, vor und thematisierte dabei die
besondere Rolle von Routinen in Einsatzsituationen. Denn nicht jede Routine ist – wie es der Begriff
vielleicht nahe legen mag – starr und unflexibel. So argumentierte die Forscherin, dass eine Balance
zwischen Stabilität und Flexibilität entscheidend sei. Um zukünftige Herausforderungen wie die
Klimakrise besser verstehen und bewältigen zu können, zeigte sie zudem auf, dass Routinen
sorgfältig hinterfragt und transformiert werden müssen.


Nach den Keynotes und der Vorstellung des CIDR folgte eine Networking-Pause sowie eine
Workshop-Session am Nachmittag. Hierbei konnten die Teilnehmenden zwischen den vier
Schwerpunktthemen „Chancen und Herausforderungen im Umgang mit unerwarteten Situationen“,
„Aus- und Weiterbildung für Einsatzkräfte im operativen Hochwasserschutz“, „Welche Bildung
braucht es im Bevölkerungsschutz?“ und „Kooperationen im lokalen Katastrophenschutz“ wählen.
Neben der Vertiefung der Themen sowie dem interdisziplinären Austausch verfolgten die Workshops
das Ziel, dass die Teilnehmenden Fragen und Anforderungen an die Forschung formulieren konnten.
Diese Inhalte können als wichtige Orientierungspunkte für die zukünftige Forschungsagenda dienen
und den Austausch zwischen Forschung und Praxis als ein Ziel des CIDR stärken.


Der Tag endete mit einem Get-together bei Fingerfood und Getränken, das den Teilnehmenden die
Möglichkeit bot, sich weiter zu vernetzen.
Insgesamt war die Veranstaltung von einem intensiven und informationsreichen Austausch geprägt.
Damit leistete die Veranstaltung einen wertvollen Beitrag zur Förderung der inter- und
transdisziplinären Zusammenarbeit im Katastrophenschutz und legte den Grundstein für eine
stärkere Aufmerksamkeit auf die Katastrophenforschung sowie für Kooperationen zwecks neuer
Erkenntnisse zum Bevölkerungsschutz, welche den komplexen Herausforderungen von Gegenwart
und Zukunft gerecht werden.


Weitere Informationen zum CIDR finden Sie hier.
Einen Einblick in die Veranstaltung bietet auch die TV-Sendung SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, die hier aufgerufen werden kann.

(Textquelle: Sophie Lacher, Fotoquelle: Carla Jung, RPTU)