Ernährungs- sicherung

Kriege, Konflikte und zunehmende Wetterextreme – diese Faktoren tragen dazu bei, dass immer noch Millionen von Menschen weltweit hungern. Diese Themenseite beleuchtet das Thema Ernährungssicherung, sowohl global als auch national, und wirft dabei auch einen Blick auf Landwirtschaft als Kritische Infrastruktur.

Was ist Ernährungssicherheit?

„Ernährungssicherheit ist, wenn alle Menschen zu jeder Zeit Zugang zu ausreichender, sicherer, erschwinglicher und angemessener Nahrung haben, um ein gesundes und aktives Leben führen zu können” (DRK).

 

Um dies zu gewährleisten, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein (Europäische Kommission).

Verfügbarkeit

Physische Verfügbarkeit (ausreichendes Angebot an Nahrungsmitteln)

Zugang

Wirtschaftlicher und physischer Zugang (setzt ausreichende Einkommen, stabile Märkte und erschwingliche Preise voraus)

Versorgung

Versorgung mit Trinkwasser, Abwasserreinigung und Gesundheitsversorgung

Stabilität

Stabilität in Bezug auf den Zugang zu Nahrungsmitteln (auf kurze, mittlere und lange Sicht)

Globale Situation

WAS IST HUNGER?

Die Welthungerhilfe unterscheide zwischen akutem, chronischem und verborgenem Hunger.

• Akuter Hunger tritt über einen abgrenzbaren Zeitraum auf und steht häufig in Zusammenhang mit Krisen wie Dürren, Kriegen und Katastrophen.

• Von chronischem Hunger spricht man dagegen, wenn Hunger und/oder Unterernährung zu einem dauerhaften Zustand werden. Dieser tritt meist in Zusammenhang mit Armut auf (keine gesunde Ernährung, kein sauberes Wasser und keine ausreichende Gesundheitsversorgung).

• Wenn aufgrund von Essensmangel wichtige Nährstoffe (z.B. Eisen, Jod, Zink, Vitamin A) fehlen, spricht man von verborgenem Hunger. Langfristig führt der Nährstoffmangel zu Krankheiten, und kann auch der regionalen Entwicklung schaden, wenn Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Bevölkerung abnehmen.

Bis 2030 soll weltweit niemand mehr an Hunger leiden. In den letzten Jahren ist die Zahl der weltweit Hungernden jedoch wieder angestiegen – 2022 waren 735 Mio. Menschen und damit jeder zehnte Mensch auf der Welt von Hunger betroffen (Welthungerhilfe 2022). Unter-, Mangel-, und Fehlernährung  betreffen nicht nur einzelne Schicksale, sondern können auch Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. Deshalb stellt die Hungerbekämpfung und Ernährungssicherheit eines der 17 Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030 dar.

 

 

„Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern”.

Ziele für nachhaltige Entwicklung, engl. Sustainable Development Goals, SDGs)

Der Welthunger-Index (Global Hunger Index)

Der Welthunger-Index untersucht die Entwicklung des Hungers auf globaler, regionaler und nationaler Ebene. Seit 2006 wird der Bericht jährlich im Oktober veröffentlicht und zeigt Fortschritte bei der Hungerbekämpfung. Der Bericht wird gemeinsam von der Welthungerhilfe und Concern Wordwide herausgegeben. Den kompletten Bericht finden Sie bei der Welthungerhilfe.

Das GHI 2023 zeigt eine dramatische Entwicklung. Die Fortschritte bei der Bekämpfung des Hungers stehen im Schatten der gegenwärtigen Krisen, die den Alltag prägen und in einigen Teilen der Welt zu einem Anstieg des Hungers führen. Der GHI-Wert 2023 für die Welt liegt bei 18,3, was als mäßig gilt, da seit der Einführung der SDGs im Jahr 2015 kaum Fortschritte erzielt wurden. In 14 Ländern wurden keine nennenswerten Verbesserungen bei der Bekämpfung des Hungers verzeichnet, so dass die meisten Länder ein mäßiges, ernstes oder alarmierendes Ausmaß an Hunger aufweisen. In weiteren 18 Ländern hat sich die Situation im Vergleich zum letzten GHI sogar verschlechtert. In 42 Ländern ist die Lage nach wie vor ernst oder alarmierend, was bedeutet, dass das Recht auf angemessene Nahrung für fast eine dreiviertel Milliarde Menschen täglich verletzt wird.

Auf der Grundlage aktueller Entwicklungsanalysen schätzt das GHI 2023, dass 58 Länder innerhalb der nächsten sieben Jahre wahrscheinlich nicht die Ziele der 2030 Agenda in Bezug auf Hungerreduktion erreichen.

Trotz der nach wie vor alarmierenden und ernsten Hungersituation gibt es auch einige positive Entwicklungen zu verzeichnen. So ist es Bangladesch und Nepal gelungen, ihre GHI-Werte zwischen 2015 und 2023 um fünf Punkte oder mehr zu senken (Welthungerhilfe).

Die Ursachen für Hunger und Ernährungsunsicherheit sind vielfältig und liegen häufig nicht in der Knappheit von Nahrungsmitteln. Der Welthungerhilfe zufolge zählen Kriege und Konflikte, Wetterextreme und Katastrophen sowie Armut und Ungleichheit zu den häufigsten Ursachen. Außerdem kommen verzerrter Welthandel, schlechte Regierungsführung sowie Ressourcenverschwendung hinzu. Hierzu zählen beispielsweise unfaire Handelsabkommen, Korruption, Bevölkerungswachstum, mangelnde Verfügungsrechte und Wasserknappheit (Europäische Kommission).

 

Wie wird der WHI berechnet?

Die 4 Indikatoren:

Unterernährung

Der Anteil der Bevölkerung, dessen Kalorienbedarf nicht gedeckt ist.

Wachstumsverzögerung bei Kindern

Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit einer zu geringen Größe in Bezug auf das jeweilige Alter, ein Beleg für chronische Unterernährung

Auszehrung bei Kindern

Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit einem zu niedrigen Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe, ein Beleg für akute Unterernährung.

Kindersterblichkeit

Der Anteil der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, was zum Teil das fatale Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversorgung und einem ungesunden Umfeld widerspiegelt.

Abbildung 1: Welthunger-Index 2022 nach Schweregrad. Bonn und Dublin: Welthungerhilfe und Concern Worldwide (Welthungerhilfe).

 

Klimawandel als besondere Herausforderung

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Der Klimawandel stellt die Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung vor zunehmende Herausforderungen und bringt natürliche Ökosysteme an ihre Belastungsgrenzen. In den letzten Jahren haben Ernteverluste durch extreme Wetterereignisse, wie Dürren oder Überschwemmungen zugenommen. 25% der Schäden und Verluste durch klimabedingte Katastrophen betreffen den weltweiten Agrarsektor (GIZ 2020). Dies erfordert die nachhaltige Gestaltung unseres derzeitigen Land- und Ernährungssystems. Mit der Sonderinitiative “Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme” des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die globale Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung (BMZ). So unterstützt z.B. die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in mehreren Ländern die Ernährungssicherung durch die Schulung von Kleinbäuer:innen zu nachhaltigen Anbau- und Bewässerungsmethoden genauso wie zur Vorbeugung von Nachernteverlusten von Lebensmitteln bei Transport und Lagerung. Auch Kenntnisse über eine gesunde Ernährung und Hygienepraktiken sowie der Zugang zu Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen verbessern die Ernährungssituation der Bevölkerung (GIZ). Während akuter Katastrophen ist dagegen eine unmittelbare Nahrungs- und Trinkwasserversorgung der Bevölkerung notwendig. Weiterhin wird zunehmend ein Fokus auf eine vorausschauende Nothilfe (engl.: Anticipatory Action) gelegt,  um basierend auf Frühwarnung bereits vor dem Eintreten einer Katastrophe z.B. Nahrungsmittel zu verteilen (IFRC, Anticipation Hub).

 

 

Ernährungssicherheit in Deutschland

 

In Deutschland können sich Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich in Eigenverantwortung gesund ernähren. Dennoch machen sich die Auswirkungen des Klimawandels sowie globale Ereignisse, wie der Ukraine-Krieg oder die Corona-Pandemie auch hier bemerkbar. Außerdem unterliegt die Nahrungsmittelversorgung großen nationalen und internationalen Abhängigkeiten zu anderen Sektoren, wie Energie, Wasser oder Transport. Insbesondere in Bezug auf die Ukraine-Krise werden die Zusammenhänge zwischen steigenden Öl- und Gaspreisen, Weizenpreisen und Lebensmittelpreisen deutlich (DKKV 2022). Auch die Corona-Pandemie wirkte sich durch z.B. Grenzschließungen unmittelbar auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Transportmöglichkeiten aus und führte zu Unterbrechungen von Lieferketten (Swinnen & McDermott 2020).

Trockens Maisfeld © iStock | Taglass

Zudem stellen auch in Deutschland zunehmende Hitze- und Dürreperioden, genauso wie Starkregen oder Stürme, die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. In den vergangenen Dürresommern führten z.B. Ernteverluste zu einem steigenden Importbedarf für Getreide und trieben die Futtermittelkosten enorm in die Höhe. Laut dem Deutschen Bauernverband entstanden im Dürrejahr 2018 in der Landwirtschaft insgesamt Schäden in Höhe von 2,5 Mio. € (Umweltbundesamt 2021). Dies erfordert Anpassungen – insbesondere im Wassermanagement. Durch entsprechende Bodenbearbeitungs- und Anbaumethoden, angepasste Sorten und Kulturen, eine effektive Bewässerung sowie ein nachhaltiges Grundwassermanagement können landwirtschaftliche Erträge gesichert werden. Im Frühjahr 2023 wurde deshalb die Nationale Wasserstrategie beschlossen, die Maßnahmen für einen zukunftsfähigen Umgang mit der Ressource Wasser aus allen relevanten Sektoren – Landwirtschaft und Naturschutz, Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie – berücksichtigt (BMUV 2023).

 

 Für weitere Infromationen zu den erwähnten Obertheemen, besuchen Sie unsere Themenseiten:

Hitze

Dürre

Starkregen

Naturgefahren

Ukraine-Krieg

© Pixabay

Landwirtschaft als Kritische Infrastruktur

 

In Deutschland ist es eine grundlegende Verpflichtung des Staates, der Bevölkerung ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. Das schließt das komplette System der Nahrungsmittelversorgung von der landwirtschaftlichen Erzeugung, über die Weiterverarbeitung bis hin zum Absatz der fertigen Produkte ein. Da es bei einer Störung des Systems zu beträchtlichen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung kommen kann, gilt Ernährung als Sektor Kritischer Infrastrukturen (BBK 2022). Kritische Infrastrukturen bilden das Grundgerüst einer funktionierenden Gesellschaft, versorgen die Bevölkerung jederzeit mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen und müssen deshalb geschützt werden.

 

In Deutschland werden diese kritischen Dienstleistungen unmittelbar von privatwirtschaftlichen Akteuren, wie landwirtschaftlichen Betrieben, weiterverarbeitenden Unternehmen und Distributionsfirmen, erbracht. Darüber hinaus nimmt der Staat eine zentrale und übergeordnete Rolle ein, beispielsweise bei der Sicherung der Qualität der Lebensmittel, bei der Versorgung in Krisenfällen oder der Förderung der Eigenvorsorge der Bevölkerung (BBK 2022). Das liegt insbesondere im Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der nachgeordneten Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Ernährungsnotfallversorgung

Der Bund legt im Rahmen der staatlichen Notfallvorsorge Reserven zurück, die kurzfristige Mängel in der Versorgung ausgleichen und die Bevölkerung über Tage bis Wochen versorgen soll (BMEL). Die staatliche Notfallvorsorge unterteilt sich in die Zivile Notfallreserve (Lang- und Rundkornreis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch – soll vor allem in Ballungsräumen zur Versorgung beitragen) und die Bundesreserve Getreide (Weizen, Roggen und Hafer – wird in der Nähe von Mühlen gelagert) (BLE). Die Lagerung findet in privatwirtschaftlichen Unternehmen statt, die über öffentliche Ausschreibungen durch das BMEL ermittelt werden. Die Bestände werden für etwa zehn Jahre gelagert und dann durch neue Waren ersetzt. Die 150 Lagerstandorte werden allerdings wegen der passiven Sicherheit nicht bekannt gegeben, um unter anderem mögliche Plünderungen vorzubeugen. Zuständig für Einkauf und Kontrolle ist die BLE (BMEL).

Private Vorsorge

Weiterhin empfiehlt der Bund das Vorhalten von persönlichen Grundvorräten an Lebensmitteln zur privaten Vorsorge. Die BLE schlägt einen 10-tägigen Vorrat über 2.200 kcal pro Tag und Person vor. Die Lebensmittel sollen in verschiedenen Notfallsituationen, z.B. bei Stromausfällen, verzehrbar sein. Zusätzlich werden zwei Liter Wasser pro Tag und Person empfohlen (BBK). Eine Auswahl von Lebensmitteln gibt die BLE auf der Webseite  www.ernaehrungsvorsorge.de. Weitere Informationen zur privaten Vorsorge finden Sie im Notfallratgeber des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katstrophenvorsorge.

© Pixabay

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Erstellt: September 2023