Im Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Johann Georg Goldammer vom Global Fire Monitoring Center (GFMC) sprechen wir über die Ursachen und Prävention von Bränden, insbesondere in Kalifornien.

Frage: Wie kam es zu den Bränden in Kalifornien, besonders im Januar, wenn man doch normalerweise an Waldbrände im Sommer denkt?

Johann Georg Goldammer: Bei den Bränden im Großraum von Los Angeles handelt es sich nicht um klassische Waldbrände, sondern um Stadtbrände. Diese Feuer brachen an der Grenze zwischen den Vororten und dem kalifornischen Chaparral aus – einem hochentzündlichen Buschland. Sobald das Feuer in die am Stadtrand relativ eng bebauten urbanen Gebiete überging, begannen Gebäude und Infrastrukturen zu brennen. Gärten und Grünflächen trugen ebenfalls bei, wobei Bäume, insbesondere Palmen, relativ gut überlebten, während die Häuser zerstört wurden und sich das Feuer von Haus zu Haus weiter ausbreitete.

Frage: Wie konnte sich dieses Feuer so stark ausbreiten?

Johann Georg Goldammer: Kalifornien ist von langanhaltender Trockenheit betroffen – nicht nur im letzten Jahr, sondern auch in den Jahren davor. Das trockene Buschland sowie die Siedlungen sind in dieser Zeit besonders anfällig. Die starken Santa Ana Winde tragen Flugfeuer in Form von brennenden oder glühenden Vegetationsteilen über weite Distanzen. Das führt bei extrem niedriger Luftfeuchtigkeit zu einer sehr schnellen Feuerausbreitung. Im Inneren des bebauten Siedlungsbereichs verbreitet sich das Feuer von einem Haus zum nächsten.

Frage: Waren die kalifornischen Behörden ausreichend vorbereitet und zielführend in der Umsetzung von Frühwarnung und Evakuierung?

Johann Georg Goldammer: Sowohl die Behörden als auch die Zivilgesellschaft Kaliforniens sind grundsätzlich auf Situationen vorbereitet und auch erfahren bzw. geübt, wenn Brände in die Peripherie von Siedlungen und Städten eindringen. Frühwarnungen erfolgen über Medien und Mobiltelefone. Grundsätzlich gilt: Wenn eine Anweisung zur Evakuierung gegeben wird, muss diese befolgt werden. Das ist sozusagen Gesetz. Im Gegenteil zu Australien, wo die Selbstverteidigung des eigenen Anwesens gegen Buschfeuer nach dem Motto stay and defend erlaubt ist und auch effektiv funktioniert. Wenn man in LA jetzt in den Medien auch Anwohner gesehen hat, die mit dem Gartenschlauch die zündenden Funken von ihrem Haus abwehren konnten, so liegt dies daran, dass bei der großen Evakuierungslage die Sicherheitskräfte die strikte Befolgung der evacuation orders nicht umsetzen konnten und die verbleibenden Anwohner auf ihre eigene Verantwortung und das Risiko hinweisen mussten – mehr ging bei dieser großen Brandlage nicht.

Frage: Wie beurteilen Sie die Berichterstattung der Medien über die Brände in LA?

Johann Georg Goldammer: Wie in jedem Jahr wurde zu Beginn der Brände von „verheerenden Waldbränden“ gesprochen. Noch am 10. Januar berichtete das ZDF im abendlichen „Heute Journal“ über Waldbrände, verwies auf die Waldbrandstatistik Deutschlands und ließ Interviewpartner über Feueranpassung afrikanischer Savannen zu Wort kommen. In anderen Kanälen wurden Feuerwehrleute befragt, die auf Gefahren des Kamineffekts in Tälern hinwiesen oder vorschlugen, große Schneisen zu schlagen. Da ging schon einiges durcheinander und in dieser besonderen Lage an einer informierten Berichterstattung vorbei.

Frage: Gibt es internationale Hilfeleistung und ist das GFMC in Kontakt mit den US-Behörden?

Johann Georg Goldammer: Wie bei vergleichbaren Lagen, so hatten wir mit unseren amerikanischen Kollegen mehrere Konferenzschaltungen, in diesem Fall mit den U.S: Forest Service. Viele Länder haben den Kaliforniern Hilfe und Entsendung von Einsatzkräften angeboten, darunter beispielsweise Israel oder die Ukraine. Dies sind starke Ausdrücke von Solidarität. Was aber benötigt und angenommen wurde: Einsatzkräfte aus Kanada. Diese verfügen wie die kalifornischen Firefighter über Fähigkeiten, sowohl Struktur- und auch Vegetationsbrände zu beherrschen. Und genau diese Kombination an Erfahrung ist wichtig. Denn die durch Funkenflug aus dem Chaparral-Busch durch die Santa Ana Winde in den urbanen Raum getragenen Feuer sind ungewöhnlich. Wir sprechen jetzt über urban wildfires – eingedeutscht – urbane Wildfeuer – eine in diesem Ausmaß neuartige Herausforderung – ein weiteres Signal der Klimakrise.

Frage: Wie verändert der Klimawandel die Bedingungen für Brände?

Johann Georg Goldammer: Der Klimawandel trägt maßgeblich dazu bei, dass Trockenperioden weltweit zunehmen. Diese langanhaltenden Trockenzeiten lassen den Feuchtigkeitsgehalt der Vegetation, besonders des Totholzes, sinken. Auch die Trockenheit in den Waldböden führt dazu, dass das Brandrisiko steigt. Wir beobachten das auch in Deutschland, wo sich in den letzten Jahren die Niederschläge verringert und die Grundwasserspiegel gesenkt haben, was auch die Brandgefahr in deutschen Wäldern erhöht.

Frage: Könnte ein solches Szenario wie in Kalifornien auch in Deutschland auftreten?

Johann Georg Goldammer: In Deutschland ist ein Brand in dieser Größenordnung, wie wir ihn in Kalifornien sehen, eher unwahrscheinlich, vor allem wegen der unterschiedlichen urbanen Bauweise. Hier ist der Übergang von Wald zu Siedlungsgebieten nicht so direkt, und die Gefahr, dass sich Feuer von Haus zu Haus weiter ausbreiten, ist kleiner. Trotzdem gibt es auch in Deutschland immer häufiger Brände, besonders in den letzten Jahren mit längeren Trockenperioden. Aber im Vergleich zu Kalifornien ist die Situation hier noch beherrschbar.

Frage: Wo in Deutschland bestehen die größten Gefahren?

Johann Georg Goldammer: In Brandenburg sind die Gefahren besonders hoch, da viele Siedlungen an oder im Wald liegen. In den letzten Jahren gab es dort schon Evakuierungen, und auch in Bezug auf Kampfmittelbelastungen und neu angelegte Wildnisflächen ist das Risiko erhöht. Die meisten Brände in Deutschland entstehen jedoch noch nicht in urbanen Gebieten, sondern eher im Offenland und Im Wald.

Frage: Sind wir ausreichend auf solche Brände vorbereitet?

Johann Georg Goldammer: Kalifornien ist weltweit eines der am besten vorbereiteten Länder in Bezug auf Prävention und Bekämpfung von Wildfeuern. Dennoch zeigt sich, dass auch Kalifornien bei den immer schwerer beherrschbaren Bränden derzeit nicht mehr nachkommt. Das ist ein weltweites Problem, dem wir uns stellen müssen. In Deutschland sollten wir besonders in den waldnahen Gebieten wie Brandenburg mehr tun, um Feuersicherheit in der Stadtplanung und der Bewirtschaftung der Wälder zu berücksichtigen.

Frage: Welche Präventionsmaßnahmen wären notwendig?

Johann Georg Goldammer: Wälder müssen mit Blick auf ihre Feuersicherheit bewirtschaftet werden. In Brandenburg etwa werden viele Kiefernwälder nicht mehr so intensiv gepflegt wie früher. Das Totholz bleibt im Wald und bietet damit viel Brennmaterial. Ein besseres Management könnte verhindern, dass sich Brände so schnell ausbreiten. Dazu gehören auch kontrollierte Beweidung und das Anlegen von Brandschutzkorridoren, um die Ausbreitung von Feuern zu verhindern und den Schutz der Siedlungen zu gewährleisten.

Viele Kiefernwälder, gerade in Brandenburg, werden heute nicht mehr so intensiv bewirtschaftet wie früher. Wenn man Totholz im Wald belässt, ist die Verweilzeit eines Feuers länger und die Temperaturen höher als bei einem rasch laufenden Bodenfeuer in einer geringeren Auflage von Brennmaterial und dringen tiefer in den Boden. Dadurch werden der Wurzelraum und die Stämme der Kiefern, die ansonsten im mittleren und hohen Alter sehr resilient gegen die bei uns vorherrschenden Bodenfeuer sind, geschädigt und sterben ab.

Auch kontrollierte Beweidung ist ein Thema. In strategisch geplanten Waldbrandschutzkorridoren kann dann nach starker Durchforstung und Aufarbeitung des Schlagabraums der nachwachsende Aufwuchs durch Weidetiere niedrig gehalten wird. Damit reduziert sich die das Risiko von schwer kontrollierbaren Bodenfeuern und dient der Sicherung der Ortschaften – auch im Sinne des wichtiger werdenden Bevölkerungsschutzes.

Frage: Ist die Feuersaison jetzt das ganze Jahr über?

Johann Georg Goldammer: In den USA und vor allem der Westküste hat sich die Feuersaison mittlerweile auf das ganze Jahr ausgeweitet. Unsere Kollegen in Nordamerika sagen schon seit einigen Jahren: “Es gibt bei uns keine Feuersaison mehr, weil die Feuer ganzjährig brennen.”

Frage: Wie beurteilen Sie die Rufe nach Entwicklung neuer Technologien und KI bei Frühwarnung und Bekämpfung von Bränden in vergleichbaren Situationen?

Johann Georg Goldammer: Der Ruf nach und Angebote von technologischen Innovationen werden stets dann besonders laut, wenn es zu großen Brandkatastrophen kommt, nicht nur dieser Tage, sondern auch wenn es in Griechenland, der Sächsischen Schweiz oder in Amazonien brennt. Dann ist das Interesse von Politik und Fördermittelgebern schnell geweckt, wenn Startups oder auch die etablierte Industrie mit Technologien werben, vom Feuerlöschflugzeug bis hin zum Einsatz von Drohnen. Oder wenn Systeme der Detektion von Feuer oder Rauch vor allem dann als innovativ vermarktet werden, wenn KI als Fortschrittsmotor mit ins Spiel gebracht wird. Das ist besonders in Ländern der Fall, in denen das zunehmende Problem von vergleichbaren Bränden in der ineinander verzahnten Natur-, Kultur- und Industrielandschaft neu ist und die fachliche Expertise in Forschung und Anwendung sich erst zu entwickeln beginnt. Hier beobachten wir Akteure, die Sensoren und Entscheidungsunterstützungssysteme offensiv vermarkten, die es in anderen Ländern bereits lange gibt. Oder in denen solche Systeme getestet und ihre Tauglichkeit verworfen wurde – seien es von Flugzeugen abgeworfene Löschbomben, Drohnenschwärme oder Rauch- und Temperatursensoren, die über die Landschaft bzw. im Wald verteilt ein ausgebrochenes Feuer melden sollen.

All dies lenkt davon ab, dass es gelten sollte, die zugrunde liegenden Ursachen der Katastrophenanfälligkeit von Stadt, Wald und Land an der Wurzel anzupacken – und das ist der Aufbau feuerresilienter Strukturen in Siedlungen und Städten und die intensive Bewirtschaftung unserer Natur- und Kulturlandschaften in Hinblick auf vermindertes Risiko, dass sich schwer zu bewältigende Großbrände überhaupt erst aufbauen und verbreiten können.

Das DKKV dankt Prof. Dr. Johann Georg Goldammer für das Interview und die Einblicke
in das Thema Brände.

(Bild ©Philipp von Dithfurth)